Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

104 AUS DEM LEBEN VON WERNER SCHUH Während sich die meisten der evangelischen Geflohenen und Vertriebenen am katholischen Niederrhein mit dem Problem konfrontiert sehen, einen konfessionell „passenden“ Ehepartner zu finden, geht Werner Schuh einen genau umgekehrten Weg: Er, der Katholik aus dem Sudetenland, heiratet eine evangeli- sche Frau aus Herrath, das mit dem benachbarten Beckrath eine protestantische Enklave bildet. Aber auch in seinem Fall stellen die unterschiedlichen Konfessionen vor der Hochzeit zunächst einen „Stolperstein“ dar. Obwohl Werner Schuh auf der Beibehaltung seiner Konfession pocht - „meine Eltern ha- ben mich so getauft und ich bleibe katholisch“ -, setzt sich seine künftige Frau in ihrem Elternhaus mit der Auswahl des Partners durch. Dabei ist es sicherlich hilfreich, dass der sich keinesfalls als katholischer Fundamentalist gibt, sondern zu weitreichenden Zugeständnissen bereit ist. So besucht Werner Schuh etwa mit seiner Familie regelmäßig den evangelischen Gottesdienst. Letztlich akzeptieren die Schwiegereltern den katholischen Schwiegersohn auf ihrem Hof, in den er einheiratet. „Das haben wir gut über die Bühne gekriegt.“ So wird 1967 eine harmoni- sche und bis heute andauernde Ehe geschlossen. „Das war das Beste, was mir passieren konnte – meine Frau“, ist sich Werner Schuh sicher. Auch seine streng katholische Mutter akzeptiert die gemischt-konfessionelle Ehe. „Meine Mutter hat nie etwas gesagt“ – auch nicht, als ihre beiden Enkelkinder evangelisch getauft werden. Hochzeit von Werner und Elfriede Schuh (geb. Heynen), 1967 „Heimat bleibt Heimat!“ - Reisen in die Vergangenheit Bereits vor der „Wende“ des Jahres 1989 besucht Werner Schuh mit seiner inzwischen verstorbenen älteren Schwester erstmals seine sudetendeutsche Heimat. Allerdings handelt es sich hierbei lediglich um eine kurze Tagesstippvisite in die ei- gene Vergangenheit. Unmittelbar nach Öffnung der Grenzen machen sich die bei- den Geschwister dann aber auf eine längere Tour nach Presser. „Aber das war unheimlich da“, erinnert sich Werner Schuh mit eher gemischten Gefühlen zurück. Eine teils deutschstämmige Familie – die Ehefrau Deutsche, der Ehemann Tscheche – ver- mietet dort Zimmer. Als Problem für die Gäste aus demWesten erweist sich die Tochter der Vermieter: „Die war so fanatisch, die kam nicht morgens zu uns zum Frühstück herein.“ Von deren deutschstämmigen Mutter erfahren die Schuhs hingegen Näheres über die oftmals brutale Behandlung der nach 1945 zurückgebliebenen Deutschen. „Die Kinder wurden in der Schule schon getrimmt, deutschfeindlich zu sein.“ Das erklärt zumindest teilweise auch das ablehnende Verhalten ihrer Toch- ter gegenüber den Gästen. Von solchen Störungen lassen sich Werner Schuh und seine Schwester jedoch nicht beeindrucken. Insbesondere für sie sei die Rückkehr in ihre alte Heimat „alles“ gewesen, erzählt er. Das habe aber zumindest in Teilen auch für ihn selbst gegolten. Vor der Reise sei er natürlich gespannt darauf gewesen, das Dorf und den elterlichen Hof nochmals wiederzusehen. „Ich hatte alles noch im Kopf, wie das war.“ Tatsächlich erkennt er dann alles wieder. Allerdings dürfen die Geschwister aufgrund der deutsch-skeptischen Haltung der neuen Besitzer den Hof zunächst nicht betreten, was ihnen aber schließlich doch noch erlaubt wird. „Das war natürlich ein tolles Gefühl.“ Er habe sein „Meine Eltern haben mich so getauft, und ich bleibe katholisch.“ – Verkehrte Welt?

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