Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

Interessenten bei ihren Eltern angefragt, ob die Tochter nicht als Haushaltshilfe bei ihnen arbeiten könne. „Ich habe zu mei- nem Vater gesagt: ‚Ich möchte lernen.‘“ Zu ihrem Glück unter- stützen Ihre Eltern ihren Bildungsdrang, womit sich für Elisabeth die Chance eröffnet, ab 1950 die zweijährige Handelsschule in Rheydt zu besuchen. „Und das war mein Glück, denn da habe ich im Grunde alles gelernt, was ich weiß.“ Während der zweijährigen Schulzeit schließt Elisabeth die Defizite der schullosen Zeit - insbesondere in der Rechtschrei- bung hapert es erheblich – und arbeitet unermüdlich. „Ich habe bis in die Nacht hinein gelernt und war dann eine der besten Schülerinnen da.“ Wichtig bei allem Streben und Arbeiten ist das ausgesprochen gute Verhältnis zu den Eltern. „Die Eltern waren zu uns Kindern sehr gut. Das machte es aus. Wir haben ein gutes, harmonisches Verhältnis gehabt.“ Auf allen Gebieten finden sie Unterstützung und insbesondere die „unheimlich mit- fühlende“ Art ihres Vaters hilft Elisabeth in kritischen Situatio- nen. „Der konnte sich mit uns freuen und auch mal mit uns mit- leiden, wenn irgendetwas war.“ Arbeit, Lernen und Ehrgeiz sollen sich bald auszahlen. Nach Abschluss der Handelsschule findet Elisabeth Schütte schnell eine Anstellung in der Stadtverwaltung Mönchengladbach. Als man dort bemerkt, „dass ich nicht dumm und auch fleißig war, hat man mir den Posten als Sekretärin beim Oberbürgermeister gegeben“. Sie sei eben immer schon lern- und wissbegierig gewesen, und das habe sich bei ihr lebenslang fortgesetzt. Diese positive Sicht wird auch dadurch nicht beeinträchtigt, dass Elisabeth der Weg zu Abitur und Studium wegen des zu zahlenden Schulgeldes verwehrt bleibt. „Das hätte mein Vater ja nicht aufbringen können.“ Dafür habe sie das große Glück gehabt, in einer intakten Familie aufwachsen zu können. 1956 kann es sich Familie Müller aufgrund der Berufstätig- keit von Elisabeth endlich leisten, die enge Dachgeschoss- wohnung in Garzweiler zu verlassen und in eine neue Dreizim- mer-Wohnung in Rheydt umzuziehen. Bruder Alfred, gerade frisch in eine Garzweilerin verliebt, bleibt dort zurück, heiratet und wird zum „echten“ Niederrheiner. 130 Elisabeth Müller an ihrem Arbeitsplatz in der Stadtverwaltung Mönchengladbach, um 1955/56 AUS DEM LEBEN VON ELISABETH SCHÜTTE

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