Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

132 AUS DEM LEBEN VON ELISABETH SCHÜTTE gegangen. Nun ist sie in der Lage, sich auch einmal zu freuen, „das Leben endlich mal wieder von einer schöneren Seite zu sehen“ und sich aus ihrer emotionalen Isolation zu lösen. Das habe einen deutlichen und tiefen „Einschnitt“ in ihrem Leben dargestellt. Aber natürlich bleibe die Vergangenheit immer tief und fest im Unterbewussten verankert. „Die können Sie gar nicht mehr rauskriegen.“ Ihre fünf Kinder hätten ihr aufgrund eigener Erfahrungen versichert, dass sich solche Erfahrungen und Traumatisierungen auch noch auf die folgenden Genera- tionen auswirken würden. Erinnerungen an die Zeit zwischen 1944 und 1946 würden sich bis heute in ihre Träume drängen, erzählt Elisabeth Schütte abschließend. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Negati- ves und Beängstigendes, sondern manchmal auch um schöne Dinge - wie etwa die tiefverschneiten Winter in Schlesien. Leider aber dominieren die unangenehmen Erinnerungen an die Ver- treibung. „Da sitzt noch einiges im Unterbewusstsein.“ „Aber ich hätte nicht da bleiben mögen.“ – Reise in die Vergangenheit Nach der Öffnung der Grenzen im Jahr 1989 hat Elisabeth Schütte ihre alte Heimat zweimal besucht - jeweils gemeinsam mit Familie Wuttke. Weil ihre Vettern und Cousinen um einiges älter seien als sie, wären sie weitaus stärker als sie mit Schle- sien verwurzelt gewesen. Sie selbst betrachtet Steinsdorf bei der Rückkehr „mit zwei verschiedenen Blicken“. Besonders stören sie zahlreiche eingefallene Häuser, die unbeachtet weiter verrotten. Manches sei auch vertraut gewesen, so dass man an die schöne Kindheit erinnert worden sei. „Aber ich hätte nicht da bleiben mögen unter den fremden Menschen.“ Die Heimat, so fasst Elisabeth Schütte ihre Sicht und die damit verbundenen Gefühle zusammen, sei sehr wichtig, „aber die Menschen gehören auch dazu“. Sie selbst definiert Heimat eher in zeitlicher Hinsicht als die Jahre, „in denen ich aufge- wachsen bin, wo ich zuerst gelebt habe“. „Da sind die Wurzeln.“ Das sei wohl auch der Grund dafür, warum ihre Trauer- und Bewältigungsarbeit in den Jahren nach 1946 so lange gedauert habe. „Weil einfach dieses Gefühl, du bist aus deiner Heimat weg, deine Heimat, deine Wurzeln, dein Boden sind weg, das war ganz stark bei mir. Bei meinem Bruder weniger.“ Den Niederrhein, so beendet Elisabeth Schütte das Ge- spräch, würde sie heute „auch als Heimat betrachten“. „Aber die Urheimat, die ist in Schlesien und das bleibt sie auch.“ Ihre Kinder hätten hingegen keinerlei Beziehungen dorthin aufge- baut. „Aber die haben eben Wurzeln geschlagen, wo sie jetzt wohnen.“

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