Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

134 DIE RAHMENBEDINGUNGEN: DIE LAGE IM WESTEN eben müde und sieht ein, dass es gegen den Ansturm eines an Zahl und Material überlegenen Feindes nicht ankommt.“ Die Alliierten ließen zwar noch längere Zeit auf sich warten, verbreiteten durch die Intensivierung ihrer Luftangriffe aber zugleich Angst und Schrecken innerhalb der Zivilbevölkerung. „Spätere Ge- schlechter können sich keinen Begriff machen von den Stunden des Schreckens und den nervenzerrüttenden Aufregungen, die wir monatelang haben durchmachenmüssen“, klagte beispielsweise der Korschenbroicher Pfarrer. Immer mehr Menschen aus den nieder- rheinischenDörfern zeigten sich den psychischen Belastungen nicht mehr gewachsen und kehrten ihrer Heimat schweren Herzens den Rücken. Insbesondere Frauen mit ihren Kindern verließen die Ge- gend und flüchteten nach Mittel- und Süddeutschland, weil sie „es in der Heimat nicht mehr glaubten aushalten zu können“. Jene, die nicht freiwillig gingen, versuchte das NS-Regime dann ab Anfang Dezember 1944 zwangsweise aus dem umkämpften Grenzgebiet zu evakuieren. Am 8. Dezember 1944 erteilte der Grevenbroicher Landrat den Ortsbürgermeistern detaillierte An- weisungen darüber, wie die durch den Reichsverteidigungskom- missar angeordnete „Räumung der Bevölkerung“ - Codewort „Ak- tion Siegfried“ - durchgeführt werden sollte. Als oberster Grundsatz sollte dabei „gemeinsames Handeln“ gelten, wobei die Kommu- nalverwaltungen zugleich aber zu „allerengster Zusammenarbeit mit demOrtsgruppenleiter und den von ihm beauftragten Partei- dienststellen“ aufgefordert wurden. Die angestrebte Räumung der künftigen Kampfzone sollte „restlos“ geschehen und notfalls „mit Gewalt“ durchgeführt werden, wobei die „Wegschaffung der Be- völkerung durch Bahn, Fahrzeuge oder durch Treck“ in alleiniger Bauern-Treck mit Vieh auf dem Weg zum Rhein, um 1944/45. Das Vieh wird (vermutlich) von „Schanzern“ getrieben, die zuvor am Westwall eingesetzt waren.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTI5NTQ=