Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen
148 DIE RAHMENBEDINGUNGEN: OST TRIFFT WEST – ANKUNFT IM WESTEN Ankunft von Flüchtlingen aus Ostpreußen am Bahnhof Meldorf in Schleswig-Holstein, undatiert lionen noch immer Evakuierte und 886.000 sogenannte „Ausge- wiesene“ aus der SBZ und Berlin, auf die noch näher einzugehen sein wird. 105 In die Westzonen kamen ohne diese Flüchtlinge aus der Sowjetzone und Spätaussiedler imLaufe der Jahrzehnte insgesamt rund 10 Millionen Menschen. In NRW betrug deren Anteil an der Gesamtbevölkerung im September 1950 rund 1,32 Millionen und damit etwa 10 Prozent. Bis 1961 war der Wert auf 2,3 Millionen (14,5%), bis 1970 schließlich auf 2,85 Millionen (17,6%) gestie- gen. 106 In den folgenden Jahren entwickelten sich die nach Bundeslän- dern differenzierten Zahlen für die Bundesrepublik folgenderma- ßen: Operation „Schwalbe“ Am 14. Februar 1946 wurde das Schicksal von Millionen Menschen durch einen einzi- gen Befehl der britischen Militärregierung besiegelt: Unter dem Codenamen „Opera- tion Schwalbe“ wurde eine der Potsdamer Vereinbarung in die Tat umgesetzt und an- schließend mit dem massenhaften Abtrans- port von Deutschen aus den nunmehr pol- nischen Gebieten östlich von Oder und Neiße in die britische Zone begonnen. Vor allem imWinter 1946/47 wurden darauf- hin zahlreiche Transporte in die britische Zone durchgeführt – allerdings keineswegs in der in Potsdam vereinbarten „ordnungs- gemäßen und humanen Weise“, sondern un- ter zumeist menschenunwürdigen Bedin- gungen. So berichtete etwa der britische Deutschlandminister John Burns Hynd im Londoner Parlament von zwei maßlos über- füllten und bei minus 15 Grad ungeheizten Zügen aus Viehwaggons, die Ende Dezem- ber 1946 aus Polen in der britischen Zone eingetroffen seien: Über 20 Tote und 160 Fälle von Erfrierungen, so wusste der Mi- nister zu berichten, seien allein für diese beiden Transporte zu beklagen gewesen; viele weitere Betroffene seien zudem später noch im Krankenhaus gestorben. Ebenso erschütternd waren die Umstände in den Vertriebenentransporten 513, 514 und 515 mit zahlreichen Toten aus Schlesien, über die der „Spiegel“ im Januar 1947 berichtete. Nach Presseberichten und öffentlichen Pro- testen gegen die nicht akzeptable, zutiefst unmenschliche Art der Transporte aus dem Osten sah sich die britische Militäradminis- tration veranlasst, eine deutliche Warnung in Richtung der polnischen Behörden aus- zusprechen. Ungeheizten Transporten, so wurde nach Warschau mitgeteilt, werde man künftig die Einreise in die britische Zone ver- weigern. Insgesamt wurden in den Jahren 1946 und 1947 im Rahmen der „Operation Schwalbe“ rund 1,5 Millionen Menschen in die britische Besatzungszone überführt. 104
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