Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

162 DIE RAHMENBEDINGUNGEN: OST TRIFFT WEST – ANKUNFT IM WESTEN SBZ UND „SBZ-FLÜCHTLINGE“ Aufgrund ihrer geographischen Lage hatte die sowjetisch besetzte Zone (SBZ) mit rund 4,3MillionenMenschen 118 anteilsmäßig die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen aufgenommen. Sie stellten mit 24,3 Prozent ein Viertel der SBZ-Bevölkerung, während dieser Anteil zum gleichen Zeitpunkt in der amerikanischen Zone bei 17,7 und in der britischen bei 14,5 Prozent lag. Mecklenburg ver- doppelte imZuge der Flüchtlingswelle gar seine Einwohnerzahl. 119 Strebten die Westalliierten eine möglichst weitgehende wirt- schaftliche, soziale und politische Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen an, um imZuge des „Kalten Krieges“ denWohl- stand des westdeutschen „Frontstaates“ zu erhöhen und damit auch die Abwehrkraft des westlichen Bündnisses zu stärken, hielt die Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) imEinklang mit der sowjetischen Besatzungsmacht in ihrer Zone am Ziel der strikten Assimilation fest. 120 Dazu war auf Anweisung der Sowje- tischenMilitäradministration (SMAD) bereits im September 1945 eine „Zentralverwaltung für deutsche „Umsiedler“ (ZVU) ins Le- ben gerufen worden. 121 Zu deren Aufgaben zählten die Einrichtung von Aufnahme- und Quarantänelagern, die medizinische Versor- gung und Erfassung der Ankommenden, die Beschaffung von Wohnraum, Nahrung, Dingen des täglichen Bedarfs sowie die Or- ganisation von Arbeitsmöglichkeiten. AbOktober 1945 entstanden sogenannte Umsiedlerausschüsse in den Kommunen und Kreisen, die auf lokaler Ebene die Unterbringung und Versorgung, vor allem aber die Eingliederung der Umsiedler unterstützen sollten. Bereits 1948 ordnete die SMAD die Eingliederung der ZVU als „Haupt- abteilung für deutsche Umsiedler“ in die Deutsche Verwaltung des Innern an, womit deren allmähliche Auflösung ihren Anfang nahm. Die offizielle Bezeichnung „Umsiedler“ 122 sollte suggerieren, dass sowohl im ehemaligen deutschen als auch im früheren polni- schen Osten keine völkerrechtswidrigen Vertreibungen stattgefun- den hatten, sondern dass es sich bei all dem um einen zivilisierten Notdürftig in Baracken untergebrachte Vertriebene in Hamm, Juni 1948

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