Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

175 DIE RAHMENBEDINGUNGEN: PROBLEME DER AUFNAHMEREGIONEN Auch im Landkreis Grevenbroich bildeten sich seit 1948 auf örtlicher Ebene immer mehr „Interessengemeinschaften der Ost- vertriebenen“. Aber selbst als das Koalitionsverbot gänzlich auf- gehoben wurde, erfassten diese Verbände lediglich 1.300 der ins- gesamt 22.000 im Kreisgebiet lebenden Vertriebenen. Obwohl das Netz bis 1951 auf 31 Ortsvereinigungen, deren Arbeitsschwer- punkt auf kulturellem Gebiet und der Traditionspflege lag, er- heblich erweitert werden konnte und damit nahezu jede Kom- mune über einen Vertriebenenverband verfügte 178 , war der prozentuale Anteil der in ihnen organisierten Flüchtlinge und Vertriebenen eher überschaubar, gehörten 1965 doch lediglich weniger als ein Prozent von ihnen einer Landsmannschaft an. 179 Viele setzten eher auf die Karte „Integration“, engagierten sich in bestehenden Parteien und insbesondere in lokalen Vereinen und Kirchengemeinden. Politisches Primärziel der Vertriebenenverbände blieb lange Zeit die Forderung nach Rückkehr in die Heimat. Seinen deut- lichsten politischen Ausdruck fand dieses Bestreben in der im Ja- nuar 1950 in Schleswig-Holstein gegründeten Partei „Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten“ (BHE), die sich schnell über das gesamte Bundesgebiet ausdehnte und bei der Bundes- tagswahl 1953 immerhin 5,9 Prozent der Stimmen erhielt. Damit zog der BHE in den Bundestag ein und wurde von Bundeskanzler Adenauer an der Regierung beteiligt. Im Kreis Grevenbroich er- zielte die Partei bei den Kommunal- und Kreistagswahlen 1952 einen Stimmenanteil von 7,2 Prozent. Der BHE wird von der Forschung als eine Partei der Mitte klas- sifiziert, die die Interessen der Vertriebenen vertreten und nicht unerheblich zur Integration der Vertriebenen ins bürgerliche Par- teienspektrum der Bundesrepublik beigetragen habe, wodurch eine „Keine Almosen, nur Recht“ - Demonstration von Vertriebenenverbänden in Bonn, 1951

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