Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen
192 VOR ORT: JÜCHEN NACH 1945 BESETZUNG UND EINQUARTIERUNGEN Hochneukirch undOtzenrathwurden als erste Gemeinden des Gre- venbroicher Kreisgebietes von denAlliierten besetzt. Am27. Februar erreichte die US-Armee Hochneukirch und rückte- wie bereits ge- schildert - von dort am frühenNachmittag weiter auf Otzenrath vor, wo die Einwohner voller Angst in den Kellern auf die Sieger warte- ten; allein 30 von ihnen in jenem des Pfarrhauses. Sie mussten ihre Häuser verlassen und die kalte Februarnacht in provisorischen Un- terkünftenwie etwa dem tür- und fensterlosen evangelischen Betsaal verbringen. 233 Am späten Nachmittag des 27. Februar wurde auch Garzweiler von den alliierten Truppen eingenommen. Von Garzweiler bewegten sich die Amerikaner Richtung Jüchen, wo sie amMorgen des 28. Februar eintrafen und ab 7 Uhr in letzte Kampfhandlungen verwickelt wurden. In deren Verlauf brachten sie ihre Überlegenheit zum Ausdruck und setzten Artillerie, Gra- natwerfer, Maschinengewehre und Kampfflugzeuge ein, worauf nur noch einige an der Eisenbahnlinie und am Jüchener Ortsrand stationierte deutsche Panzerabwehrwaffen reagierten. Wie ein Fanal dürfte es dabei auf die Bevölkerung gewirkt haben, als bei diesen letzten Kampfhandlungen die bis dahin weitgehend ver- schonte katholische Kirche erhebliche Beschädigungen erlitt. „Be- sonders der Turm bildete die Zielscheibe der Artillerie“, berichtet der Chronist, weshalb er mehrere Volltreffer erhalten habe. In der Chronik der katholischen Volksschule heißt es weiter: „Die Kirche, die Schule und zahlreiche Häuser erhielten bei dem ungleichen Kampf Beschädigungen und viele der Verteidiger des Ortes fanden den Tod. Ebenso mussten zahlreiche Privatpersonen ihr Leben las- sen. Zu ihnen gehörte auch der Zahnarzt Dr. Heinrich Becker, der bei einem Tieffliegerangriff vor seinemHaus durch Maschinenge- wehrbeschuss eine Gehirnverletzung davongetragen hatte und am 6. Mai 1945 im Krankenhaus Jüchen verstarb. Noch lange nach Kriegsende erinnerten Geschütze und Panzerwagen an diese letzten Kriegshandlungen in Jüchen.“ 234 Auch die „Chronik der Gemeinde Jüchen“ belegt, dass es – im Gegensatz zu Bedburdyck - keinesfalls zu der von den Einwohnern erhofften kampflosen Übergabe des Ortes kam. Von einem „un- gleichen Endkampf um unseren Ort“ ist hier die Rede, in dessen Verlauf die deutsche Seite offenbar nicht an Aufgabe dachte, was dazu führte, dass die so unnötige wie sinnlose Gegenwehr einen hohen Tribut forderte: „Die Kirche, die Schule, viele Häuser wur- den bei diesem Kampfe schwer beschädigt und viele Verteidiger haben bei der Abwehr den Tod gefunden.“ So kam etwa am Don- nersberg die gesamte Bedienungsmannschaft des Geschützes ums Leben. 235 Gegen 9.30 Uhr marschierten die Angehörigen der US-Armee schließlich ins Jüchener Ortszentrum vor, durchsuchten dort die Häuser und trieben die Bewohner auf dem großen Marktplatz zu- sammen. DerenGefühlslage fasste der Gemeindechronist so zusam- men: „Der Anblick der ersten einrückenden amerikanischenTruppen löste wohl zunächst bei den meisten Einwohnern ein Gefühl der Freude über die Beendigung des Kampfes und der furchtbaren, ner- Die Marktstraße in Otzenrath, undatiert Kriegsschäden in der Otzenrather Hofstraße, 1945
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