Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

208 VOR ORT: JÜCHEN NACH 1945 zählende Dörfchen Hetzerath besonders hart, das im März 1945 vollständig geräumt wurde, umPlatz für rund 7.000 DPs zu schaffen. 246 Auch imKreis Grevenbroich wurden solche Lager ein- gerichtet, von denen einige weitaus länger Be- stand haben sollten, als jenes inHetzerath. Wäh- rend hierfür aber etwa in Dormagen ein Barackenlager, in Neukirchen ein historisches Schloss und in Nievenheim ein Kloster ausge- wählt wurden, traf es Jüchen insofern besonders empfindlich, weil man hier über kein geeignetes Gebäude verfügte und daher kein geschlossenes Lager einrichtete, sondern an der Kölner Straße insgesamt 105 Privatwohnungen und Räumlich- keiten der ortsansässigen Firma Busch für diese Zwecke beschlagnahmte und somit einen zentra- len Teil des Ortes auf Dauer zweckentfremdete. 247 Aber nicht nur deshalb sollten das DP-Lager und die damit einhergehende Versorgung der Insassen für den Ort erhebliche Auswirkungen zeitigen, weshalb diese Episode in der Jüchener Gemein- dechronik viel Raum einnimmt. 248 „Nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen wurden die Fabrikräume, das Kontor, die Privathäuser und Gärten an der Kölner Straße für die Einrichtung eines Polenlagers mit Beschlag belegt“, heißt es dort. Aus dem Ge- meinschaftsraum der Firma Schwartz & Klein und dem Mädchenheim Pferdmenges in Gie- senkirchen seien anschließend „große Mengen Betten, Tische und Stühle herangeholt“ worden, mit denen das „Polenlager“ dann eingerichtet worden sei. Die Jüchener sahen sich dabei of- fenbar weitgehend machtlos der Situation aus- geliefert: „Die an der Kölner Straße liegenden Gärten wurden von den Polen abgeerntet und alle Beschwerden der Bewohner von dem Kom- mandanten abgewiesen. Die Herausgabe der Möbel in den beschlagnahmten Wohnungen wurde verweigert.“ Angesichts der großen Zahl der in Jüchen untergebrachten ehemaligen Zwangsarbeiter reichten die vorgefundenen Ge- genstände aber offenbar bei Weitem nicht aus. Die Militärregierung forderte ständig nur schwer zu beschaffenden Nachschub: „Nicht leicht war es der Verwaltung, den Anforderun- gen der Besatzung an Möbeln, Öfen, Radioge- räten, Schallplatten, Baumaterialien in meist kürzester Zeit gerecht zu werden.“ Auch von den bereits erwähnten Raubüberfällen auf Bau- Der Korrespondent einer US-Nachrichtenagentur im Gespräch mit gerade befreiten ukrainischen Zwangsarbeiterinnen in Jüchen, 28. Februar 1945

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