Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

212 DIE NACHKRIEGSZEIT IN JÜCHEN AmMittwochmorgen 28. Februar 1945 habe ich nicht zelebriert. Kirche war nicht zu benutzen, zum Kloster konnte ich nicht ge- hen. Donnerstag las ich, ebenso Kaplan Schweiss, der in der Nacht Mittwoch/Donnerstag im Pfarrhaus blieb, in der Keller- kapelle des Klosters. Es war wirklich Katakomben-Stimmung, nicht nur die Sorge vor Verfolgung. Das Licht hatte schon wäh- rend der Beschießung ausgesetzt, die Wasserleitung streikte schon vorher. So musste man sich mit allem behelfen. Am gleichen Tag haben dann die Schwestern ihre Kapelle wieder soweit gereinigt und das Loch in der Mauer notdürftig zugestellt, so dass wir am Freitag und Samstag wieder oben zelebrieren konnten. Da nur von 9-12 Uhr die Straßen passiert werden durf- ten, las ich um 9 1/4 Uhr, so auch weiter bis zum Dienstag, 13.3. Am 12.3. wurde dann der Ausgang für 6-18 Uhr erweitert, und am 14.3. las ich um 8 1/4 Uhr in der Klosterkapelle. Am 3. 3. hatte ich mir vomOrtskommandeur einen Passierschein zum Besuch der Kranken ausstellen lassen für den ganzen Tag, so dass ich über Tag ohne Schwierigkeiten durchs Dorf gehen konnte. Ich war auch schon auf den Friedhof gegangen, in des- sen Umgebung noch drei deutsche Geschütze standen. Auf dem Feld D war in den Reihengräbern eine Granate eingeschla- gen und hatte zahlreiche Gräber verwüstet, doch war von den Toten nichts zu sehen. Verschiedene Grabsteine der Eigengräber in der Nähe waren beschädigt. (…) Amerikanische Einquartierung meldete sich gleich amMittwoch, dem 28.2. Es sollte im Kel- ler eine Aid-Station eingerichtet werden und auch andere Räume belegt werden, doch wurde schnell wieder eingepackt, und die Trup- pen zogen weiter. Später kam dann ein C. P. der Division Arcade Command Post - Ge- fechtsstand, die im Keller sich einrichteten; wir hatten alles wieder nach oben geschafft. Auch das Erdgeschoß benutzten sie mit Ausnahme der Küche. Wir durften keinen der Räume be- treten, sogar die Heizung besorgten sie selbst, hatten auch eigenes Licht. Wir gingen durch den Vordereingang, die Soldaten durch den Seiteneingang vom Garten ins Haus. Einen Posten hatten sie sogar am Kellereingang ste- hen, es hat aber alles gut gegangen. Zwei Nächte blieben sie da, und an einem Morgen hauten sie plötzlich ab. Dann hatten wir wieder Ruhe. Ich hatte an den beiden Türen ein Schild angebracht: „Here is residing Rev. father Ball, preast and parson. Here is the parsonage” Hier wohnt Reverend Father Ball, Priester und Pfar- rer. Hier ist das Pfarrhaus. Verschiedentlich kamen Soldaten, lasen die Inschrift und gingen weiter. Unterdessen war es im Dorf sehr unruhig. Sowohl durch die Einquartierungen als auch durch die im Lande weilenden Aus- länder - Polen, Italiener, Ukrainer, die zum Arbeiten und zum Schanzen hierher geholt worden waren - wurden viele aus ihren Wohnungen entfernt, viele von den Evakuierten verlassene Wohnungen wurden belegt oder auch ausgeplündert. Viele Häuser waren ja auch durch den Beschuss schwer beschädigt und unbewohnbar. So war es für manche Familien sehr hart. Dazu kamen die schweren Panzer, die durch die Straßen und Gärten, ja selbst durch die Häuser fuhren, so dass das Dorf ei- nen geradezu furchtbaren Anblick bot. Nun merkte man: es ist Krieg. In den Gärten wurden Bäume umgefahren oder abge- sägt, Haustore wurden eingefahren usw. Doch half man sich gegenseitig. An die Kirche und deren Instandsetzung bzw. Rei- nigung war noch nicht zu denken. Das Allerheiligste hatte ich in der Krankenpatene und Burse im Pfarrhause. (…) Am Samstag, den 10.3., teilte mir morgens ½ 9 Uhr Herr Ro- bertz, der das Amt eines Bürgermeisters versah, mit, dass ich im Laufe des Tages das Haus räumen müsse, es kämen Offi- ziere in dasselbe und kein Zivilist dürfte darin bleiben. Nach Rücksprache mit dem Kommandanten, einem Major, konnten DAS KRIEGSENDE 1945 IN GARZWEILER - TEIL 2 In Garzweiler stehen sich nach dem Einmarsch der US-Truppen zur Zwangsarbeit eingesetzte polni- sche Kriegsgefangene undf in Gefangenschaft geratene Wehrmachtssoldaten gegenüber, 28. Februar 1945

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