Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen
227 VOR ORT: JÜCHEN NACH 1945 dieMarktstraße, die Umgebung der evangelischen Kirche, die Jahn- straße und die Braunstraße stark von Zerstörungen betroffen waren. 278 Entsprechend stark blieben hier die Instandsetzungsar- beiten hinter den Erwartungen der Anwohner zurück, so dass sich die Hochneukircher Amtsverwaltung noch im Juli 1949 imAmts- blatt zu einem „Appell an die Herzen“ veranlasst sah, in dem dezi- diert darauf hingewiesen wurde, dass es insbesondere Otzenrath und Spenrath seien, die „unter den traurigen Folgen des letzten Jahrzehntes“ in einemMaße zu leiden hätten, „der kaum vonNach- bargemeinden übertroffen“ werde. Beide Dörfer seien überpro- portional von Zerstörungen an Gebäuden betroffen, wobei mit Blick auf Otzenrath „als betrübendste Tatsache die Zerstörung einer ganzen Straße, der Braunstraße, zu beklagen“ war. Mehr als vier Jahre nach Kriegsende hieß es hierzu: „Nicht nur allein der wirtschaftliche Schaden, der Verlust menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit ist zu bedauern, auch der hervorgerufene Mangel anWohnraum bedrückt jeden verantwortungsbewussten, für die Gegenwart und Zukunft besorgten Gemeindebürger. Drü- ckend ist die Sorge um den notwendigsten menschenwürdigen Wohnraum für viele Ausgebombte, Heimkehrer, Flüchtlinge, Ge- werbetreibende und für unsere, ein eigenes Heim anstrebenden Jung-Eheleute. 279 Damit stellte dieser Artikel – mit der Konzentration auf den dringend zur forcierenden Wohnungsbau - eine Art Zusammen- fassung all jener Problemfelder dar, die die Nachkriegszeit und da- mit auch den Umgang mit dem Phänomen „Flucht und Vertrei- bung“ auf den verschiedensten Ebenen bestimmten und auf die daher immer wieder zurückzukommen sein wird. Lokale Industrie Die größeren Jüchener Industriebetriebe lagen im März 1945 un- geachtet aller Beschädigungen keineswegs am Boden, sondern waren in weiten Teilen produktionsbereit. Die Textilfabrik Busch & Co. (Baumwollspinnerei, Weberei, Färberei und Kleiderfabrik) war durch Bombeneinwirkung zwar in Teilen beschädigt, aber weitgehend unzerstört. Einer schnellen Produktionsaufnahme stand allerdings die an anderer Stelle bereits ausführlich gewürdigte Tatsache entgegen, dass das Firmengelände als Teil des großen Jü- chener DP-Lagers genutzt wurde. „Die Ingangsetzung wäre wohl möglich gewesen, wenn nicht dort das Ausländerlager eingerichtet worden wäre“, beklagte der Amtsbürgermeister Ende April 1945. „Die Ausländer haben die Maschinen zum größten Teil zerstört oder beschädigt und die vorhandenenWarenvorräte fortgeschafft.“ Erschwerend kam hinzu, dass Reinhard Busch – wie auch die Witwe von Hugo Busch - zwar nicht der NSDAP angehört hatte, gegen Kriegsende aber als Bataillonsführer zumVolkssturm einge- zogen worden war und sich mit seiner Einheit über den Rhein ins Reichsinnere zurückgezogen hatte. Und obwohl der Krieg zu dem Zeitpunkt, an der der Jüchener Bürgermeister nach Grevenbroich berichtete, noch längst nicht offiziell beendet war, sondern ganz im Gegenteil Adolf Hitler und Joseph Goebbels im „Führer-Bun- ker“ in Berlin noch immer vom deutschen „Endsieg“ schwadro- nierten, blickte man am Niederrhein längst in die Zukunft. Das Textilunternehmen Busch, so die Einschätzung der lokalen Verwal- tung, könne durch den vor Ort anwesenden Prokuristen ungeach- tet der vorhandenen Probleme umgehend den Betrieb wieder aufnehmen. Auch die Baumwollspinnerei und Weberei Max Klein & Co. war „zum größten Teil erhalten“ geblieben. Allerdings war der zuvor aus der NSDAP ausgeschlossene Inhaber noch im Februar 1945 zur Wehrmacht einberufen worden. Auch das Unternehmen Schwartz und Klein KG (Baumwollspinnerei, Weberei und Fär- berei) war lediglich teilbeschädigt und daher in der Lage, den Be- trieb ohne Übergangsfrist wieder aufzunehmen. Allerdings war Das Stammwerk von Schwarz & Klein in Jüchen an der Eisenbahnstrecke Köln- Mönchengladbach, um 1950 Die Fabrik von Busch & Co. (Postkarte gelaufen 1913)
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