Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

23 AUS DEM LEBEN VON FRITZ STÖCKEL und konnte das Geschehen beobachten. Ich wollte mich von meinem Mitarbeiter Heller verabschieden, es war nicht möglich. Ich musste sehen, dass ich vom Platz wegkam, die Miliz drohte mir. Sikora war zu Hause, ich ging zu ihm und sagte, was auf dem Sportplatz getrieben würde. Sagte, er könne nichts tun. Was da die Polen getan haben, ist unbeschreiblich. Gegen 10 Uhr wurden sie zum Bahnhof getrieben. Meine Schwägerin, die Frau von meinem Bruder Erwin, war auch dabei. Ich wollte ver- suchen, noch etwas Lebensmittel an den Zug zu bringen, es war nicht möglich. Der Zug war von der Miliz umstellt, man durfte nicht zu nahe kommen, sie drohten sofort zu schießen. Gegen 20 Uhr fuhr der Zug ab. Am andern Tag wurden die ge- plünderten Sachen abgefahren; es sollen 15 Pferdewagen voll gewesen sein. Die Sachen kamen in den Keller der Konsumbä- ckerei. Hier haben sich dann die Polen wie hungrige Wölfe über alles gestürzt. Am 30.11.1946 erfolgte wieder eine Austreibung von mehreren hundert Deutschen. Die Transporte gingen in die DDR. Ich hoffte, mit einem Transport nach demWesten zu kommen. Meine Toch- ter und Bruder waren dort. Sikora hatte mir mal in einem Ge- spräch versprochen, bei einem Transport nach dem Westen würde ich dabei sein. Der Winter hatte Einzug gehalten. Wir war- teten täglich auf unsere Austreibung, es lag etwas in der Luft. Mit der Arbeit klappte es nicht mehr, ich hatte es satt. (…) Ich traf die letzten Vorbereitungen für die Austreibung. Es mussten noch etwas Lebensmittel beschafft werden; etwas ge- räucherter Speck, eine Flasche Schnaps für die Kälte und Brot. Da mir die beiden Polen angeboten hatten, mir etwas an Le- bensmitteln zu besorgen, bat ich sie, mir etwas Speck zu besor- gen. Schon am anderen Tag kam eine Frau von einem der beiden, brachte den Speck. Er war sehr billig, es war ca. ein Pfund, kos- tete 8 Zloty. Die Polen bekamen die Lebensmittel sehr billig. Fritz Stöckels Eltern Karl (1874-1943) und Hulda. Die 1877 geborene Mutter erlebte die Vertreibung mit und starb 1956 in Jüchen.

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