Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

241 VOR ORT: JÜCHEN NACH 1945 mende Zahl an Hungerödemen, wobei sich „die zurückgekehrten Kriegsgefangenen aus Russland“ in „besonders schlechtem Zu- stand“ zeigten. „Bei den meisten“, so die wenig hoffnungsvolle Prognose, „dürfte es sich wohl um ein dauerndes Siechtumhandeln.“ Mindestens ebenso besorgniserregend war ein weiteres akutes Phä- nomen: „Als besonders bemerkenswert für den letzten Monat ist die auffallend hohe Säuglingssterblichkeit.“ 331 Bis Mitte Januar 1947 hatte sich die Lage „in keiner Weise ge- bessert“. „Todesfälle bei Kindern und Erwachsenen an Infektions- krankheiten konnten vielfach auf die völlig fehlendeWiderstandskraft infolge quantitativen und qualitativen Hungerns zurückgeführt werden“, konstatierte der Kreisamtsarzt, der - nicht nur - bei den Schulkindern zudem „eine weiter um sich greifende Gewichtsab- nahme“ feststellte. Die desolaten hygienischen Bedingungen in den engen, kalten und feuchten Wohnungen taten ein Übriges: „Der Befall der Klein- und Schulkinder, der Jugendlichen und der Frauen mit Kopfläusen hat noch immer nicht wesentlich abge- nommen. Die Ausbreitung der Krätze ist unverändert. Infolge der Wohnungsnot und infolge des gänzlichen Fehlens vonHausbrand konnte und kann die Krätze nicht genügend bekämpft werden. Die Folge davon ist, dass nachfolgende Hautausschläge verbunden mit der Widerstandslosigkeit infolge des Hungerns zu wochen- langer Arbeitsunfähigkeit führen.“ Die äußerst prekäre Lage von Säuglingen und Kindern blieb in den folgenden Wochen und Monaten unverändert. So berichtete das Kreisgesundheitsamt am 4. Juni 1947 über die nach wie vor „fehlerhafte Milchversorgung“, die insbesondere Säuglinge „in der jetzigen heißen Zeit“ außerordentlich gefährde. „Die Mütter sind Spielen auf der Kelzenberger Straße in Jüchen, um 1955

RkJQdWJsaXNoZXIy MTI5NTQ=