Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

274 VOR ORT: FLÜCHTLINGE IN JÜCHEN VERWALTUNG UND ORGANISATION Die stetig steigende Zahl der Gemeindemitglieder musste unter den in mehrfacher Hinsicht äußerst problematischen Verhältnissen der unmittelbaren Nachkriegszeit die jeweiligen Verwaltungen mit oftmals schier unlösbar erscheinenden Herausforderungen kon- frontieren. Ganz abgesehen von dem auch im Verwaltungsalltag schmerzlich spürbar werdendenMangel an Papier, Stiften, Schreib- maschinen und vielem mehr erforderte der bis dahin beispiellose Zustrom von Menschen und deren Integration ins dörfliche Ge- füge nicht nur Arbeitskraft, sondern teilweise auch gänzlich neue Strukturen. Die Anpassung der kommunalen Verwaltungen an die neuen Er- fordernisse erfolgte nicht zuletzt auf Anweisung von oben. Am 21. November 1945 erließ die britischeMilitärregierung Verordnungen zur Betreuung von Flüchtlingen und Vertriebenen. Danach waren auf sämtlichen deutschenVerwaltungsebenen Flüchtlingsausschüsse einzurichten, die vor allem eine halbwegs menschenwürdige Unter- bringung sicherstellen und eine akzeptable Versorgung der Flücht- linge gewährleisten sollten. Die denGemeinden hierbei entstehenden Kosten, so die erste Vorgabe, sollten anschließend zu 85 Prozent durch die Provinz bzw. das Land ersetzt werden. 430 Mit dieser ersten Vorgabe begann eine Zeit sich schnell bilden- der, umbildender, umbenennender und mit Bergen immer neuer Arbeit konfrontierter Ausschüsse, die insbesondere auf kommunaler Ebene für einen halbwegs reibungslos Versorgungs- und Einglie- derungsprozess sorgen sollten. Am 27. November 1945 ordnete die Militärregierung für die Nord-Rheinprovinz die „Bildung von Flüchtlings-Ausschüssen“ sowie von „Wohlfahrtsausschüssen“ an. Es sollte aber bis zum 12. Januar 1946 dauern, bis diese Verordnung imKreis Grevenbroich durch die Kreisflüchtlingsbetreuungsstelle auch an die Gemeinden weitergegeben wurde. Diese neuen Flücht- lingsausschüsse, so wurde ausdrücklich betont, sollten unter der Leitung der deutschen Lokalverwaltungen arbeiten und seitens der Wohlfahrtsausschüsse „weitgehend“ unterstützt werden. Das war recht vage formuliert und ließ reichlich Spielraum für Auslegungen. Die Wohlfahrtsausschüsse, so scheint es, waren auf Gemeindeebene offenbar als eine Art Allzweckwaffe gedacht, denn neben der engen Kooperation mit den lokalen Flüchtlingsaus- schüssen wurden ihnen weitere weitreichende Aufgaben zugedacht: „Maßnahmen aller Art zur Behebung derWinternot, insbesondere Betreuung bedürftiger, alleinstehender, kranker, gebrechlicher Per- sonen, Förderung des Gesundheitswesens, Kohlenversorgung, Be- reitstellung von Wohnraum und Beschaffung von Kleidern, Ent- Tagtägliche Verwaltungsarbeit: Ausstellung von Flüchtlingsausweisen, Hochneu- kirch September 1946

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