Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

276 VOR ORT: FLÜCHTLINGE IN JÜCHEN Hochneukirch bei der Neubesetzung des neunköpfigen „Vertei- lungsausschuss“ erstmals in einem lokalen Ausschuss mit Wilhelm Tews (Otzenrath) und Gustav Thel (Hochneukirch) auch zwei Vertreter der Flüchtlinge auf den Plan traten. 438 In Jüchen hielt man sich offenbar genau an die Vorgaben und wählte am 16. Dezember 1946 folgende Personen in den Flücht- lingsausschuss: die geistlichenHerren beider Konfessionen, Schwes- ter Lipolita, Frau Ronnewinkel, Schwester Heimes, die Herren Kürten und Schlangat und den zuvor bereits gewählten Flücht- lingssprecher. 439 Den Beschlüssen des Gemeinderats Bedburdyck ist hingegen nicht eindeutig zu entnehmen, ob hier auf Grundlage der November-Anordnung überhaupt ein eigenständiger Flücht- lingsausschuss gewählt worden war. In seiner Sitzung am 11. De- zember 1946 war davon jedenfalls nicht die Rede. Stattdessen wurde ein neuerWohlfahrtsausschuss gebildet, dessen sieben „stän- dige Mitglieder“ sich aus vier Angehörigen der Gemeindevertre- tung, je einem Mitglied der SPD und der KPD sowie einem Ver- treter der ortsansässigen Flüchtlinge zusammensetzte. 440 Bei allen Unterschieden in der lokalen Umsetzung von Anord- nungen der Militärregierung und der Kreisverwaltung wird man doch davon ausgehen dürfen, dass Ende 1946, spätestens aber zu Beginn des Jahres 1947 in allen Orten Gremien existierten, in denen Flüchtlinge offiziell vertreten waren und damit über ein, wenn auch nicht eben lautes, so doch immerhin eigenständiges Sprachrohr verfügten. Dabei machte insbesondere der in Jüchen tätige Ausschuss über die Ortsgrenze hinaus auf sich aufmerksam und galt vielen als beispielhafte Einrichtung. So stellte die Kreis- verwaltung in ihrem Monatsbericht für die Militärregierung im Juni 1947 angesichts der unbefriedigend verlaufenden Verteilung von Kleidern in den einzelnen Orten fest: „Einem Rat des Dach- ausschusses vom letzten Monat folgend, dass jede Gemeinde be- müht sein sollte, einen Ausschuss der freiwilligen und Gemeinde- Wohlfahrtsvertreter zu ernennen – ähnlich dem in Jüchen tätigen, ausgezeichnetenHilfswerkskomitee – ist entschieden worden, dass die Verteilung durch solche Körperschaften durchgeführt werden sollte“. 441 So hoffte man, „die Nöte der Flüchtlinge“ zu mildern. – Zu diesem so gelobten „Hilfswerkkomitee“ konnten leider keinerlei weitere Informationen ermitteln werden. Eine solche Repräsentanz war – nicht zuletzt für das Selbst- wertgefühl der Neuankömmlinge - zwar wichtig, letztlich aber doch eher Ausdruck eines formalen Akts. Wichtiger und hilfreicher aber waren angesichts der Umstände von Flucht, Vertreibung und Ankunft im Westen sicherlich Kontakte auf persönlicher Ebene. Treffen von Angesicht zu Angesicht konnten die jeweilige konkrete traurige Lage „vor Ort“ weitaus besser veranschaulichen undHilfs- bereitschaft wecken. Auch den Verantwortlichen wurde schnell klar, dass den sich immer höher auftürmenden Problemen mit rei- nen Verwaltungsakten allein nicht beizukommen war, sondern dass auch die Vertreter der Kommunen ihrerseits den direkten Kontakt zu Flüchtlingen und Vertrieben suchenmussten. Als hierzu im Rahmen einer Bürgermeisterversammlung am 13. November 1946 ein erster „reger Meinungsaustausch“ stattfand, forderte Ober- kreisdirektor Gilka die Anwesenden auf, sich in dieser Frage be- sonders zu engagieren und erklärte, „dass die Flüchtlinge nicht sich selber überlassen werden dürfen und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu betreuen“ seien. Die Gemeinde- und Amts- direktoren, so sein Appell, sollten die Neuankömmlinge direkt vor Ort in ihren Unterkünften besuchen, um sich so besser auch „um die seelische Not dieser Menschen“ kümmern zu können. Zugleich empfahl er erneut eine enge Zusammenarbeit der Gemeindever- waltungen mit den freien Wohlfahrtsverbänden, weil es diesen auchmöglich sei, „Sammlungen zur Aufbringung der erforderlichen Mittel, vor allem auch vonNaturalien und Gebrauchsgegenständen, zu veranstalten“. 442 Zumindest dieser letzte Punkt fand weitgehend Gehör. Warten vor Amtsstuben: Flüchtlinge im Gebäude der Stadtverwaltung Höxter, 1948

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