Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

283 VOR ORT: FLÜCHTLINGE IN JÜCHEN Sanktionen Dort war jedoch keinerlei Verständnis und erst recht keine Unter- stützung für solche Anliegen zu erwarten. Nachdem die Flücht- lingszuweisungen im Juli 1946 örtlich offenbar auf große Widerstände getroffen waren, machte man von offizieller Seite un- missverständlich klar, was man künftig von den Kommunen und ihren Einwohnern in dieser Frage erwartete. Anfang August 1946 sah sich der Oberkreisdirektor gar veranlasst, in den Gemeinden des Kreisgebietes in jeweils 40 Exemplaren eine Bekanntmachung aushängen und verteilen zu lassen, die den Einheimischen vor Augen führen sollte, dass eine weitere Verweigerungshaltung ge- genüber Flüchtlingen unangenehme Folgen nach sich ziehen wür- den. Demnach war ein – namentlich ausdrücklich genannter! - Bauer aus Evinghoven, der sich geweigert hatte, freienWohnraum an Flüchtlinge abzutreten, seitens der Militärregierung mit folgen- der Urteilsbegründung zu neun Monaten Haft verurteilt worden: „Wilhelm Splinter, ich betrachte Sie eines der niedrigsten Vergehen schuldig, die ich mir vorstellen kann. Sie haben keinerlei Achtung vor Ihren Mitmenschen. Sie haben nicht nur Ihrer örtlichen Be- hörde große Unannehmlichkeiten verursacht, sondern fühlen sich offensichtlich als über dem Gesetz stehend.“ 476 Ob eine solch öffentliche Anprangerung tatsächlich den ge- wünschten Erfolg haben konnte, darf bezweifelt werden, und eine spürbare Verbesserung der angespannten Situation durfte angesichts der neuenHerausforderungen der „Aktion Schwalbe“ von solchen Aktionen ohnehin nicht erwartet werden. Das war wohl auch die Einschätzung jener öffentlichen Vertreter, die sich am 26. August aus einer Flüchtlingsunterkunft in Selm (November 1950) Wie kaum anders zu erwarten, tendierte der Erfolg des Aufrufs der Garzweiler Ortsgeistlichkeit gegen Null, weshalb sich die Ge- meindevertretung am 6. August 1946 gezwungen sah, folgenden Beschluss zu fassen: „Da die Gemeinde nicht mehr in der Lage ist, noch mehr Flüchtlinge einigermaßen menschenwürdig unterzu- bringen und mehrfach darauf hinweisende Berichte des Gemein- dedirektors ohne Erfolg geblieben sind, soll eine Abordnung des Gemeinderates bestehend aus drei Mitgliedern unter Führung des Gemeindedirektors zu dem Herrn Regierungspräsidenten nach Düsseldorf fahren. Diese Abordnung soll dort gegen einen weiteren Zustrom von Flüchtlingen Einspruch erheben und auf die Un- möglichkeit einer nur einigermaßen menschenwürdigen Unter- bringung hinweisen.“ Bürgermeister Aretz sollte unterstützt von zwei Gemeindevertretern diese Resolution in Düsseldorf vorbrin- gen. 475

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