Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

332 VOR ORT: ANPASSUNG ODER INTEGRATION? sich anschließend eine „eingehende Debatte“ entwickelte. Deren Ergebnis ließ an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig: „Gemeindevertretung erhebt entschiedene Einwendungen dagegen, dass in der Gemeinde Hochneukirch 40Wohnungen errichtet werden sollen, während die Mehrzahl der übrigen Gemeinden des Kreises überhaupt keine Wohnungen zu erstellen braucht und anderen Ge- meinden nur eine Auflage von 20 Wohnungen gemacht worden ist. Der Gemeinde Hochneukirch entstehen besondere Schwierigkeiten dadurch, dass sie nicht im Besitze von Baugelände ist und das benö- tigte Gelände erst erwerben müsste. Eine Möglichkeit, dieWohnungen auf billigem Baugelände zu errichten, besteht nicht, da in der Ge- meinde nur hochwertiges Ackerland vorhanden ist. Es ist auch nicht möglich, die in die Wohnungen einzuweisenden Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, da die hiesige Industrie in absehbarer Zeit kaum einen zusätzlichen Dauerbedarf an Arbeitskräften hat. Die noch vorhan- denen Arbeitslosen innerhalb der Gemeinde sind vordringlich in Ar- beitsstellen zu bringen. Es ist unverständlich, dass die Wohnungen nach den ergangenen Richtlinien in einer derart primitiven Form errichtet werden sollen, die für die Gemeinde Hochneukirch mit ihrer ungeschützten Lage nicht geeignet sind. Es müssen stabilere Bauten angestrebt werden, die eine Wirtschaftlichkeit und Dauerhaftigkeit garantieren.“ Daher wurde die Gemeindeverwaltung damit beauftragt, einen entsprechenden Bericht zu verfassen, der nach Unterzeichnung aller imGemeinderat vertretenen Parteien an die Aufsichtsbehörde weitergeleitet werden sollte. Außerdemwurde hervorgehoben, dass nunmehr Flüchtlinge in Konkurrenz zu Flüchtlingen gebracht würden: „Zur Behebung der großen Wohnungsnot ist die Errich- tung der beschlossenen Volkswohnungsbauten und weiterer Sied- lungshäuser für die Einheimischen und die vorhandenen Flücht- lingsfamilien in der Gemeinde vordringlich.“ Trotz der ablehnenden „Wer in den letzten Tagen auf seinem Spaziergang in Richtung Holz an der Mühle vorbeiging wird mit Genugtuung gesehen haben, dass dort im Siedlungsgelände fleißige Hände sich regen. Am Samstag, dem 20. Mai 1950 wurde unter starker Anteilnahme der Bevölke- rung, es waren Vertreter der Industrie, des Handels, der Landwirt- schaft sowie 1 Vertreter der Kirchengemeinde erschienen, der erste Spatenstich getan. Der Gemeindedirektor Bickler begrüßte den Ge- meinderat und die Gäste. Nach einer Ansprache des Bürgermeisters, welche auf die Bedeutung der Siedlungen für den Ort hinwies (…), sprach der Bauleiter der 10 Siedlungen, Dr. Metzner, als Vertreter des Trägers, der Rheinischen Heimstätte. Er führte u. a. aus, dass es ein gewisses Glück für die Siedler sei, dass sie unter all den vielen Be- werbern, die ersten sind, die zum Bauen kommen. Er wies darauf hin, dass imLande Nordrhein-Westfalen sehr wenig Land für Klein- siedlungen gegenüber der Bewerberzahl zur Verfügung stehe. Er stellte besonders heraus, dass unter den ersten 10 Siedlern 3 Heimatver- triebene seien. (…) Mögen noch recht oft auf diesem Gelände sich die Menschen zusammenfinden, um ein neues Werk zu beginnen, damit der neue Ortsteil Hochneukirch-Süd bald in seinem Gesamtbild er- steht.“ 605 Kaum war der erste Spatenstich getan, wurden neue Forderun- gen laut. Als sich der Hochneukircher Gemeinderat am 26. Juli 1950 zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenfand, gab es Wichtiges zu diskutieren. Kurz zuvor hatte das nordrhein-westfä- lische Wiederaufbauministerium am 15. Juli 1950 per Runderlass ein „Stoßprogramm“ verabschiedet, das die zwei Tage zuvor ange- ordnete „Durchführung der Umsiedlungen von Heimatvertriebe- nen aus den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bay- ern nach Nordrhein-Westfalen“ erleichtern sollte. Zunächst hatte das Landesarbeitsamt gemäß Erlass zu überprüfen, „in welchen Orten für bestimmte Berufe Arbeitsmöglichkeiten bestehen, selbst wenn die umzusiedelnden Personen nicht sofort in eine bestimmte Stelle vermittelt werden können“. Daraufhin sollten dann „Auf- nahmekommissionen“ des Landes die noch im Norden Deutsch- lands Weilenden dort besuchen und auswählen. Um deren an- schließende Unterbringung in NRW zu gewährleisten, sollte „in den festgestellten Orten entsprechend der Zahl der jeweils umzu- siedelnden Familien ein besonderes Wohnungsprogramm- eben das „Stoßprogramm“ – durchgeführt werden. Hinsichtlich der „Art der Bauvorhaben“ wurde darauf hingewiesen, dass die Woh- nungen „möglichst billig“ seinmüssten, weshalb unter Abänderung bislang gültiger Typenpläne überaus schlichte Zweiraum-Wohnun- gen zu errichten seien. 606 Am 26. Juli 1950 wurden dem Hochneukircher Gemeinderat nicht nur diese neuen Bestimmungen bekanntgegeben, sondern ihm zudemmitgeteilt, dass die Gemeinde im Rahmen dieser Um- siedlungen – und wohl aufgrund ihrer Lage und des Status als Ar- beiterwohngemeinde - bis zum 1. Dezember des Jahres gleich 40 solch einfachster Flüchtlingswohnungen zu errichten habe, worüber Neubaugebiet in der Hochneukircher Mühlenstraße, 1962

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