Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

341 ANHANG: ANMERKUNGEN herausgegeben hätten. Das kann für eine Entlastung der Wehrmachtführung aber nicht ausreichen. Sie trug eine erhebliche Mitverantwortung an der Katastrophe, die ab Januar 1945 über die ostdeutsche Be- völkerung hereinbrach. Auf S. 79 ergän- zen die Autoren, beim „Endkampf 1945“ hätten Hitler und die Wehrmacht gemein- sam einen Krieg ohne Rücksichtnahme auf die Zivilbevölkerung geführt. „An kei- ner Stelle im Telegrammverkehr oder bei den Besprechungen zwischen Führer- hauptquartier und Frontstäben ist das nach 1945 so gern herangezogene Argu- ment zu finden, die Front sei zu halten, um die Bevölkerung in Sicherheit zu brin- gen. Im Gegenteil: Viele Befehle machen deutlich, wie skrupellos das massenhafte Sterben von Zivilisten in Kauf genommen wurde.“ Dieses Trauma, unter dem Millio- nen Ostdeutsche noch Jahrzehnte zu lei- den hatten, sei über Jahrzehnte erfolg- reich verdrängt worden. 36 Vgl. Zeidler, Flucht, S. 74 und Kossert, Heimat, S. 30 37 Dieter Wellershoff: Der Ernstfall. Innen- ansichten des Krieges, Köln 1995, S. 273 38 Aust/Burgdorff, Flucht, S. 77. Dort, S. 77ff., auch das Folgende. 39 Auch um die angebliche Rettung über die Ostsee rankten sich nach 1945 schnell Legenden. Sie wurde als „größte Ret- tungsaktion“ der Geschichte der Seefahrt gefeiert, für die der Marinechef und Nachfolger Hitlers, Großadmiral Walter Dönitz, persönlich die Urheberschaft be- anspruchte. Verschwiegen wurde, dass Dönitz und Hitler Ende Januar 1945 ver- einbart hatten, dass auch die Flüchtlings- transporte per Schiff nur „insoweit durch- geführt werden können, als die Heranführung von Kampftruppen nicht darunter leidet“. Als der Oberbefehlsha- ber der 2. Armee am 26. März 1945 viel zu spät einen Hilferuf an Dönitz richtete, wonach 48.000 verwundete Soldaten und „Hunderttausende Zivilisten bei Tag und Nacht feindlichem Artilleriefeuer und Bombenhagel hilflos ausgeliefert“ seien und dringend Schiffe anforderte, ordnete Dönitz fünf Tage später an, dass alle mi- litärischen Bewegungen weiterhin Vor- rang hätten. Der Transport von Flüchtlin- gen rangierte in seiner Prioritätenliste erst an vorletzter Stelle - vor der Fische- rei. Bei einer anderen Schwerpunktset- zung hätten im Frühjahr 1945 wohl noch alle Flüchtlinge einschließlich der in den Kesseln stehenden Soldaten über See evakuiert werden können. 40 Vgl. Mix, Flüchtlinge, S. 13 41 Nicht näher behandelt wird hier das Schicksal von Hunderttausender deut- scher Zivilsten, unter ihnen viele Frauen und Mädchen, die von 1944 bis Ende April 1945 aus den Ostprovinzen des Deut- schen Reiches als „lebende Reparatio- nen“ zur Zwangsarbeit in sowjetische Ar- beitslager abtransportiert wurden. deren Schicksal ist von der deutschen Ge- schichtswissenschaft bislang wenig be- achtet worden. Beinahe jeder zweite der insgesamt rund 700.000 Verschleppten überlebte die Lagerhaft nicht. Vgl. Kos- sert, Heimat, S. 40. Insgesamt sollen nach Berechnungen von Experten der Bundes- regierung im Frühjahr und Sommer 1945 rund 520.000 Deutsche aus den Ostge- bieten, aus Danzig und aus Polen in sei- nen Vorkriegsgrenzen in die Sowjetunion deportiert worden sein, von denen etwa 185.000 ums Leben gekommen sind. Vgl. Urban, Verlust, S. 117. 42 Beer, Vertreibung, S. 43f. 43 Vgl. Kossert, Heimat, S. 30 und Beer, Flucht, S. 74 44 Beer, Vertreibung, S. 46, macht darauf aufmerksam, dass viele der rückkehren- den Flüchtlinge ihr Zuhause nicht wieder erreicht hätten. 45 Vgl. Zeidler, Flucht, S. 80 46 Vgl. Beer, Vertreibung, S. 46 und Herzig, Flucht, S. 123 47 Daraus folgt jedoch nicht, dass die Bevöl- kerung über die aktuellen Entwicklungen informiert gewesen sei. Nach der Kapitu- lation mussten etwa die Rundfunkgeräte abgegeben werden. Unter solchen Um- ständen trugen Gerüchte erheblich zur weiteren Verunsicherung der Menschen bei. Vgl. Herzig, Flucht, S. 126 48 Vgl. Herzig, Flucht, S. 123f. 49 Vgl. http://library.fes.de/library/netzquelle/ zwangsmigration/33vertrpl.html (3.5.2017) 50 Der im April 1945 erwogene Plan, alle auf der während der NS-Herrschaft einge- führten „Deutschen Volksliste“ geführten Deutschen ab dem zwölften Lebensjahr zum Tragen solcher Armbinden zu ver- pflichten, wurde jedoch nie zentral durch- gesetzt. Vgl. Beer, Flucht, S. 75 51 Vgl. Urban, Verlust, S. 112 und 121 sowie Herzig, Flucht, S. 129 52 Vgl. Herzig, Flucht, S. 131 53 So u.a. Zeidler, Flucht, S. 84 54 Aust/Burgdorff, Flucht, S. 83 55 Aust/Burgdorff, Flucht, S. 85. Kossert, Heimat, S. 32 definiert den Zeitraum kür- zer. Die „wilden“ Vertreibungen“ durch die Polen habe am 20. Juni 1945 eingesetzt und etwa einen Monat gedauert. 56 Beer, Vertreibung, S. 46 57 Vgl. Beer, Flucht, S. 76 58 Urban, Verlust, S. 116 59 Vgl. Beer, Vertreibung, S. 48 60 Vgl. Beer, Flucht, S. 77 61 Vgl. Kossert, Heimat, S. 32ff., Beer, Ver- treibung, S. 48 und Halder/Serrer, Weg, S. 14 62 Burk/Fehse/Krauss/Spröer/Wolter, Hei- mat, S. 13 und 15 63 Kossert, Heimat, S. 32ff. Vgl. auch http://li- brary.fes.de/library/netzquelle/zwangsmi- gration/33vertrpl.html 3.5.2017. Vgl. dazu ausführlich unten, S. 148 64 Urban, Verlust, S. 123. Vgl. auch http://li- brary.fes.de/library/netzquelle/zwangsmi- gration/33vertrpl.html (3.5.2017) 65 Vgl. Halder/Serrer, Weg, S. 14 66 Beer, Flucht, S. 85 67 Vgl. Plato/Leh, Frühling, S. 20 und Rüther, Zeit, S. 210 68 Vgl. Plato/Leh, Frühling, S. 14 69 Von diesemWert gehen u.a. Kossert, Hei- mat, S. 41 und Aust/Burgdorff, Flucht, S. 83 aus. Burk/Fehse/Krauss/Spröer/Wol- ter, Heimat, S. 31, sprechen gar von bis zu 15 Millionen Deutschen, die ihre Hei- mat, im ehemaligen Osten Deutschlands, in Polen, der Tschechoslowakei, in Un- garn, Rumänien, Jugoslawien und in der Sowjetunion verloren hätten. Etwa zwölf Millionen von ihnen seien in Deutschland ansässig geworden. Beer, Flucht, S. 128f., verweist in diesem Punkt auf die Unter- suchungen von Rüdiger Overmans, der gezeigt habe, „wie das vorhandene Da- tenmaterial im Laufe der Zeit zu einem Topos geronnen“ sei und daher „einer ernsthaften wissenschaftlichen Prüfung“ bedürfe. Als einigermaßen gesichert sieht er bis 1950 eine Zahl der insgesamt von Umsiedlung, Evakuierung, Flucht und Ver- treibung Betroffenen in den beiden deut- schen Staaten rund 12,5 Millionen an (acht Millionen in der BRD, 4,5 Millionen in der DDR). 70 Vgl. Aust/Burgdorff, Flucht, S. 28 71 Vgl. Kossert, Heimat, S. 41. An gleicher Stelle beklagt Andreas Kossert, es sei schwer zu verstehen, „dass es immer

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