Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

43 AUS DEM LEBEN VON GERTRUD ZILLIKENS Kinder sind über den Zaun geflogen. Ich hörte bloß, wie unsere Mutter ruft: ‚Kinder, wo seid ihr!‘ Da sind wir aufgekrabbelt und aufgestanden, hatten aber nichts mitgekriegt außer ein paar blauer Flecken.“ Kurz nach Ostern 1945 heißt es dann plötzlich: „Sie müssen alle zum Hafen! Sie müssen raus hier.“ Der Pillauer Hafen bietet für Gertrud ein eigentümliches und auch gespenstisches Bild. „Hunderte von Kinderwagen standen da“, erinnert sie sich. „Tau- sende Menschen, riesige Schiffe. Das hatte ich noch nie gese- hen.“ Alles ist unklar. Soldaten fordern die Riedigers auf, sich in eine Schlange einzureihen, um auf eines der Schiffe zu kom- men. Wohin der Weg gehen soll, wird nicht mitgeteilt. Und wieder kommt es zu einem irritierenden Zwischenfall mit Mutter Katharina, die plötzlich verschwunden ist. Während ihre Töchter noch in der Schlange stehen, entdeckt Gertrud die Mutter auf einem der Schiffe. „Wir haben geweint und ge- schrien, und Mutter rief vom Schiff her.“ Wie es zur Trennung gekommen ist und warum ihre Mutter sie erneut alleine ließ, kann Gertrud Zillikens in der Rückschau nicht beurteilen. Es sei eben ein großes Gedränge gewesen. Zum Glück kommt ein Soldat und bestimmt: „Die Kinder gehören zu ihrer Mutter!“ Er sorgt für Platz und schafft die drei Schwestern als letzte Passagiere auf das Schiff. „Da haben wir auch noch Mal Glück gehabt.“ – Die Riedigers zählen damit zu den letzten jener rund 450.000 Menschen, die zwischen Ende Januar 1945 und dem 18. April 1945 mit Schiffen den Pillauer Hafen verlassen. Einschiffung von Flüchtlingen auf F.S.S. Wedel in Pillau 1945

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