Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen
58 AUS DEM LEBEN VON CHARLOTTE LEIBRANDT Charlotte Leibrandt kann sich heute noch vage an den Beginn des Zweiten Weltkriegs in Danzig erinnern. Plötzlich habe es geheißen: „Es ist Krieg. Der ist auf der Westerplatte. Da haben sie geschossen.“ Als der „Blitzkrieg“ gegen Polen schnell sieg- reich beendet wird, ist auch in Praust der Jubel groß. Charlotte und ihre Geschwister stehen an der Straße und bieten den zu- rückkehrenden Wehrmachtssoldaten Butterbrote und Äpfel an, die die Mutter vorbereitet hat. Danach bleibt man in Danzig und Umgebung weitgehend vom Kriegsgeschehen verschont. Ausnahme ist ein Luftangriff auf die Stadt im Juni 1942, der auch Menschenleben fordert. Ihre Mutter, so erinnert sich Charlotte Leibrandt, habe an der anschließenden, als „Staatsbegräbnis“ deklarierten Beisetzung teilgenommen. An andere Details des Lebens im Krieg kann sie sich hingegen nicht mehr erinnern. 1941 wird Charlotte „Jungmädel“ – „das mussten wir“. Im Rahmen der wöchentlichen Heimabende, die von einige Jahre älteren Führerinnen geleitet werden, wird zumeist gesungen, gebastelt oder Geschichten gelauscht. Allerdings werden den jungen Mädchen auch die Biografie Hitlers und andere natio- nalsozialistische „Lehrinhalte“ nahegebracht. Besonders gut erinnert sich Charlotte Leibrandt an die jähr- liche „Leistungswoche“, die stets in den ersten Wochen der Sommerferien stattgefunden habe. Jeden Tag habe man von morgens acht bis nachmittags fünf Uhr auf dem Sportplatz zu- bringen und Sport treiben müssen. Es habe auch Zeltlager in der näheren Umgebung gegeben – „wo gerade Platz war“. „Es ist Krieg. Der ist auf der Westerplatte“ – Krieg Familie Tomaschewski in Praust. Charlotte 2.v.r.. Vor ihr ihre jüngere Schwester, links neben ihr Bruder Erich, hinter ihm halb verdeckt ihre Mutter.
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