Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

63 AUS DEM LEBEN VON CHARLOTTE LEIBRANDT stelle gegangen, wo vier Suppenkellen zugeteilt worden seien. „Es gab ja immer nur Eintopf.“ Der sei dann aus Blechschüsseln gegessen worden. Man beginnt gezwungenermaßen, den Lageralltag selbst zu organisieren. So wird beispielsweise eine provisorische Schule eingerichtet, wo zumindest ein paar Unterrichtsstunden erteilt werden. Allerdings gibt es im Lager praktisch keine Leh- rer, so dass Jugendliche, die bereits die Mittlere Reife oder das Abitur abgelegt haben, nach einer kurzen Prüfung die Leh- rerrolle übernehmen. Auch sonst besteht das Leben häufig aus Improvisation. Die Kinder und Jugendlichen müssen Heidekraut sammeln, aus dem Besen zur Barackenreinigung hergestellt werden. An- sonsten habe man viel gespielt und versucht, sich – oft mehr schlecht als recht – die Zeit zu vertreiben. Immerhin gibt es ein Lagerkino, das noch von den deutschen Soldaten, die die Ba- racken vor Kriegsende bewohnt haben, „übriggeblieben“ ist. Das habe man offiziell jedoch erst mit 18 Jahren besuchen dürfen. „Wir haben uns dann natürlich immer älter gemacht als wir waren.“ Das aber sind seltene Ausnahmen. Ansonsten do- miniert die Langeweile: „Es war an und für sich alles eintönig.“ In dieser Atmosphäre, so Charlotte Leibrandt heute, hätten weder sie noch eine Schulfreundin, mit der sie seit Kopenhagen zusammen gewesen sei, in irgendeiner Art und Weise über die Zukunft nachgedacht, „was einmal werden würde“. „Man hat sich darauf verlassen, was jetzt weiter kommt.“ – Diese so langweilige wie perspektivlose Zeit in Oksbøl dauert für die Tomaschewskis bis September 1948. „Fahren Sie weiter ins Rheinland“ – Zurück nach Deutschland Da es keinerlei familiäre Kontakte nach Westdeutschland gibt – der Vater bleibt verschollenen, Bruder Erich, von dem erst 1947 ein erstes Lebenszeichen eintrifft, arbeitet auf einem Bau- ernhof in der sowjetisch besetzten Zone -, muss Familie To- maschewski lange auf die Entlassung aus dem Lager warten. Erst als es der Mutter mit Hilfe des Suchdienstes des Roten „Einreisegenehmigung“ vom 20. September 1948 Kreuzes gelingt, nach Schleswig-Holstein geflohene Verwandte zu ermitteln, wird eine Einreisegenehmigung nach Deutschland erteilt. Nach der Entlassung aus Oksbøl im September 1948 und einem zweitägigen Zwischenaufenthalt im Durchgangslager Srydstrup, wo sie erneut registriert, geimpft und entlaust wer-

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