Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen
67 AUS DEM LEBEN VON HANNELORE BEULEN Hannelore Bandemer wird am 11. November 1934 in Langeböse (heute: Pogorzelice) in (Hinter-) Pommern geboren 80b . Sie hat mit Elvira eine – 1932 geborene - ältere Schwester. 1941 wird Jürgen geboren, dem dann erst nach der Flucht im Jahr 1948 Bruder Gerd folgen wird. Der Ort zählt 1939 etwa 660 Einwohner und ist mir rund 60 Höfen ein ausgesproches Bauerndorf. Hier verbringt Hannelore die ersten sieben Jahre ihres Lebens. Weil Vater Erich Bande- mer Bahnbeamter ist und eine Stelle auf Lebenszeit im rund 25 km östlich von Langeböse gelegenem Groß Boschpol (heute: Bo ż epole Wielkie) erhält, zieht die Familie 1941 dorthin um. Der Ort ist mit seinen 360 Einwohnern noch kleiner als Langeböse, liegt aber mit eigenem Bahnhof an der Bahnstrecke Danzig-Stargard. Nahezu in der Mitte beider Orte liegt Lauen- burg (heute: L ę bork), das mit seinen 1939 gut 19.000 Einwoh- nern das städtische Zentrum der Region bildet. An ihren Geburtsort Langeböse, so erzählt Hannelore Beu- len, erinnere sie sich häufiger und besser zurück als an Groß Boschpol. Das liegt nicht zuletzt daran, dass hier damals sowohl die Großeltern als auch die große Verwandtschaft wohnen. Hannelore fühlt sich insbesondere zu beiden Omas hingezogen, die jeweils einen Bauernhof bewirtschaften. Das führt dazu, dass sie beide auch während der Zeit in Groß Boschpol regel- mäßig besucht, weil sie aufgrund des Berufs ihres Vaters die Bahn kostenlos nutzen kann. „Dieses Langeböse, das hat uns immer irgendwie angezogen.“ So wächst Hannelore – für ländliche Gebiete durchaus zeit- typisch - in einer ausgesprochenen Großfamilie auf. Sowohl Vater Erich als auch Mutter Erna haben zahlreiche Geschwister, die nah zusammenwohnen. Das Zentrum beider Großfamilien ist und bleibt daher ungeachtet von heirats- und berufsbezo- genen Umzügen bis 1945 eindeutig Langeböse. Hier ist ständig etwas los, denn hier kommen sämtliche Verwandte zusammen. Für Kinder ist der Ort ein wahres Paradies: „Meine Omas, die hatten einen großen Obstgarten, die hatten viele Tiere, die hat- ten ein Backhaus, in dem Brot und alles gebacken wurde. Für uns Kinder war das natürlich ein Erlebnis.“ Wenn die Familie zusammen gewesen sei, so erinnert sich Hannelore Beulen noch immer mit sehr positiven Gefühlen, sei die Oma glücklich gewesen. „Dieses Langeböse, das hat uns schon geprägt.“ - Das Haus der Großeltern mütterlicherseits übernimmt dann im Übrigen mit Helene Kusch eine Schwester von Hannelores Mutter. Den Kuschs werden wir hier noch an anderer Stelle ausführlich begegnen. Es fällt Hannelore deshalb nicht leicht, das geliebte Lange- böse im Sommer 1941 Richtung Groß Boschpol zu verlassen. Familie Bandemer bezieht dort eine Dienstwohnung in unmit- telbarer Nähe des Bahnhofs. Weil das Haus unmittelbar an der Straße steht, kann Hannelore durch das Fenster zunächst an- tisemitische Ausschreitungen, dann ab der Jahreswende 1944/45 die großen Flüchtlingsströme beobachten, die von Os- ten kommend den Ort durchqueren. „Dieses Langeböse, das hat uns schon geprägt.“ – Kindheit links: Mutter und ihre sechs Töchter in Pommern“: Rosalie Venske (* 27.9.1864) mit v.l.n.r.: Hildegard, Meta, Lena, Frieda, Anna und Erna, der Mutter von Hannelore Beulen. rechts: Wilhelmine Bandemer (*28.8.1870) mit ihren Kindern. Stehend links: Sohn Erich Bandemer
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