Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen
68 AUS DEM LEBEN VON HANNELORE BEULEN Religion, so betont Hannelore Beulen, habe in ihrer Kindheit eine „ganz große“ Rolle gespielt. In den Langeböser Häusern seien reihum wöchentliche Bibelstunden abgehalten und die Lebensrhythmen jedes einzelnen durch strenge religiöse Vor- gaben reglementiert worden. So hätten ihre Eltern beispiels- weise nicht Tanzen gehen dürfen, „weil das was Böses war“. Statt Vergnügen galt es Kirchenchor und Bibelstunden zu be- suchen. „Die durften Vieles nicht. Die wurden schon sehr streng gehalten. Da lacht man heute drüber.“ Auch die Silvesternacht war keineswegs ein Anlass zum Feiern, um das neue Jahr zu begrüßen. Im Hause Bandemer wurde wie generell in Langeböse stattdessen „gesungen und gebetet“, weil die Eltern stets gesagt hätten: „Das ist ein schwe- rer Übergang ins nächste Jahr. Wir wissen nicht, was es uns bringt.“ Das sei auch für sie und ihre Geschwister völlig selbst- verständlich geworden, erzählt Hannelore Beulen weiter. Diese Prägung habe dazu geführt, dass auch ihr Mann und sie später nie Silvester gefeiert hätten. Die einzige Ausnahme sei der Be- such einer Veranstaltung gewesen, die die evangelische Kir- chengemeinde Jüchen ausgerichtet habe. Die Gebete hätten, da ist sie sich sicher, den Betroffenen dann nach 1945 in der „Russenzeit“ sehr geholfen. „Was da gebetet wurde! Der Russe stand mit der Pistole vor uns, und dann hörten sie jeden in seiner Sprache beten. Das vergisst man ja nicht.“ Politik habe in ihrem Elternhaus hingegen überhaupt keine Rolle gespielt, betont Hannelore Beulen. Ihre Eltern seien nicht politisch, sondern in hohem Maße „barmherzig“ gewesen, so dass sie sich noch heute die Frage stelle, wie beide überhaupt die Zeit des Nationalsozialismus überstanden hätten. In diesem Zusammenhang erinnert sie sich an eine Szene aus Groß Bosch- pol. Hier habe sie eines Tages durchs Fenster gesehen, wie „Die durften Vieles nicht. Da lacht man heute drüber.“ – Religion und Politik Sommerfest des CVJM Langeböse. Erna Vernske 2. Reihe links, Erich Bandemer oben, 3.v.l.), um 1928/29
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