Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

146 F ür die Verantwortlichen galt es, die ungeheuren Menschen- ströme, die sich in der Nachkriegszeit auf die vier Besatzungs- zonen zubewegten und sie durchzogen, möglichst gut zu ko- ordinieren. Das galt insbesondere für die dauerhaft bleibendenWellen an Flüchtlingen und Vertriebenen, was umso schwieriger war, als es für die Steuerung solch wahrer Völkerwanderungen keinerlei Vor- bilder gab. Es zeigte sich schnell, dass die Alliierten bei ihrer Be- schlussfassung in Potsdamdie Dimension der Vertreibung völlig un- terschätzt hatten, denn das vomKontrollrat am20. November 1945 für die einzelnen Besatzungszonen festgelegte Aufnahmesoll wurde umgehend in bedenklicher Höhe überschritten. 94 Das führte nahezu zwangsläufig dazu, dass der permanente Zu- strom insbesondere die mit der Durchführung von Unterbringung und Versorgung betrauten Stellen völlig überforderte und die dort Beschäftigten schier in die Verzweiflung trieb, zumal sie sich ja au- ßerdem noch mit der Bewältigung aller übrigen Kriegsfolgen kon- frontiert sahen. Daher wurde - offen oder verdeckt - allerorten umgehend versucht, weitere Zuzüge zu verhindern. 95 Im Umgang mit den zu bewältigenden Problemen gab es zwi- schen den westlichen Besatzungszonen und der SBZ erhebliche Unterschiede. Erschwerend kam dann bald das bereits kurz er- wähnte Phänomen hinzu, dass immer mehr der in der sowjetisch besetzten Zone untergekommenen Flüchtlinge und Vertriebenen als sogenannte „SBZ-Flüchtlinge“ weiter nach Westen strebten. UmUnklarheiten zu vermeiden, sollen hier die verschiedenen Aus- gangssituationen – mit deutlichem Schwerpunkt auf der Lage in der britischen Zone und hier insbesondere auf das Gebiet des heu- tigen Nordrhein-Westfalen – skizziert werden. Ost trifft West – Ankunft im Westen Berlin, Flüchtlingskinder auf dem Bahnhof Lankwitz, 1945

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