Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

Die folgenden Aufzeichnungen stammen vermutlich aus der Feder von Johann Heinrich Adam Ball (1886-1946), der von 1933 bis zu seinem Tode am 9. Februar 1946 katholischer Pfarrer in Garz- weiler war. Das am 10. März 1945 begonnene Manuskript in teil- weise schlecht lesbarer Schreibmaschinenschrift auf kariertem Papier wird im Katholischen Pfarrarchiv St. Pankratius in Neu- Garzweiler aufbewahrt. Weil nur wenige Quellen aus jenen Tagen überliefert sind, die ein derart plastisches Bild der Ereignisse ver- mitteln, wird das Dokument hier nur leicht gekürzt in zwei Teilen wiedergegeben. 238 „Es war fast allgemein eine Flucht, die oft sehr schnell vor sich gehen musste. Schon kommen auch die Evakuierungen an den Grenzen. Auch in unser Dorf kommen viele Flüchtlinge, viele zogen auch nur durch unser Dorf, um irgendwo anders Zuflucht zu finden. Schließlich wurde Aachen eingenommen. Der Be- fehlshaber der Stadt wollte, um sie zu schonen, sie zur offenen Stadt erklärt haben, aber unsere Heeresleitung oder wer da zu sagen hatte, lehnte ab - totale Zerstörung. Furchtbare Grund- sätze: alles, was dem Feind irgendwie noch dienen könnte, musste vernichtet werden: Haus und Hof, Kulturdenkmäler usw., selbst lebenswichtige Nahrungsmittel: verbrannt, gesprengt. Wahnsinn aus Hass geboren. Die Anglo-Amerikaner hatten die Reichsgrenze überschritten, schwere Kämpfe im Hürtgenwald, im Monschauer Land, besonders wegen der dort liegenden Talsperren. Wir bekamen im Dorf auch Einquartierung. Zuerst Panzer- truppen, die in den Vogesen schon gekämpft hatten und nun nach Verlust ihrer Panzer auf neue Waffen warteten. (…) Später kamen andere. (…) Dann kam ein Armeestab hierher, und als alle einquartiert waren in Garzweiler und Königshoven, kamen die beiden Armeepfarrer und bezogen zusammen im Pfarrhaus Quartier, gemeinsam mit ihren beiden Küstern, wie sie meinten, nur für kurze Zeit. Am 17. November kamen sie und blieben bis 9. Februar 1945. (…) Sie hatten auch ihr Dienstzimmer hier im Hause und wohnten gemeinsam auf dem großen Zimmer neben meinem Schlafzimmer. Die beiden Küster hatten ihr Lager unten im Sprechzimmer aufgeschlagen. Die Pfarrer hielten Gottes- dienst gelegentlich auf den umliegenden Ortschaften: Garz- weiler, Königshoven, Harff, Kaster, Bedburg, Pütz, Kirchherten, Borschemich, Otzenrath, Kelzenberg, Elfgen, Grevenbroich und Gustorf. (…) Am 16. Dezember kam die Entlastungsoffensive in den Ar- dennen, im Luxemburger Raum. Während der Kanonendonner bis dahin immer näher gerückt war, sogar die feindliche Artillerie 194 DIE NACHKRIEGSZEIT IN JÜCHEN DAS KRIEGSENDE 1945 IN GARZWEILER – TEIL 1 Vorbemerkung Kirche und Pastorat in Garzweiler, undatiert

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