Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

195 DIE NACHKRIEGSZEIT IN JÜCHEN in Nachbarorte schoss und die Fliegertätigkeit sehr stark war (am 18. November brannte das Haus von Klein und einige Scheunen ab, drei Tote, am 16. November großer Fliegerangriff auf Düren, am 15. Dezember Kirche und Pfarrhaus in Jackerath schwer beschädigt, so dass die Evakuierung auch in Garzweiler begann. Am 1. und 9. Dezember fuhren je ein Transport nach Thüringen, wobei ca. 200 das Dorf verließen), wurde es jetzt wieder ruhiger. Die Truppen blieben, die Leute blieben. So fei- erten wir ziemlich ruhig das heilige Weihnachtsfest. Doch die Offensive konnte nicht durchstoßen, sie blieb ste- cken, und nach etwa 4 Wochen war der ganze Erfolg dahin. Es kam die 2., 3. und 4. Schlacht im Raume Aachen. Doch die Roer, die aus der Eifel durch Düren, Jülich fließt, bildete noch ein Hindernis für den Gegner, auch weiter in ihrem Laufe durch ihre Versumpfung. Auch waren die Schleusentore der Rurtal- sperre durch die Deutschen geöffnet worden, und der Fluss war weithin über die Ufer getreten. Doch dann wurden auch die Schwierigkeiten überwunden, und bald kam die Front auf ca. 40 km Breite auf uns zu. Am 9. 2. wurde der Stab hier in der Richtung auf den Rhein verlegt. Es sollte die berühmte 11. Panzerdivision (die Gespens- ter-Division) den Stoff aufhalten. Garzweiler wurde wieder sehr lebhaft, die Kanonen donnerten, die Front kam näher, Fernge- schütze sandten ihre Granaten. Um das Dorf herum war schon seit ca. ½ Jahr befestigt worden: Schützengräben, Panzergräben, Geschützstellungen gebaut worden. Tausende von Schanzarbeitern waren beschäf- tigt als Feldverwüster, wie man sie mit Recht nannte. Einquar- tierung war mäßig. (…) Die Front rückte immer näher, der Beschuss wurde stärker, auch die Fliegertätigkeit. Am Sonntag, den 25. 2., musste des- halb eine Nachmittagsmesse ausfallen, es war zu gefährlich: nur kurze Segensandacht und Kommunionausteilung. Gleich danach kam ein Befehl zur Evakuierung, freiwillig erst, dann Zwang, bis Montagabend 7 Uhr alles fertig gepackt zu haben. Große Unruhe. Es wurde fieberhaft gepackt. In der Nacht zum Montag wurde hier im Pfarrhaus ein Gefechtsstand eingerich- tet, fünf Offiziere, fünf andere Soldaten. (…) Die Soldaten hatten schon wenig Mut, mehr schon die Un- teroffiziere. Die Offiziere aßen bei uns am Tisch, hatten aber so wenig Anstand, dass sie beim Beten nicht einmal die Hände falteten, sondern beide Hände neben den Teller legten. Wir hatten uns schon für den Aufenthalt im Keller vorgesehen, hat- ten drei Betten da aufgestellt (…) und auch da schon geschla- fen, Lebensmittel und einen Ofen usw. dahin gebracht. Die Sol- daten schliefen z. T. um mein Bett, die Offiziere oben. Am Montagabend waren wir ziemlich früh im Keller zu Bett gegangen. Da setzte um 11 Uhr ein derartiger Beschuss ein, dass auch die Offiziere usw., die oben waren, fluchtartig in den Keller kamen. Es krachte an allen Ecken, und Fensterscheiben klirrten. Schon Montag früh hatte ich still in der Kirche die hl. Messe gelesen, nur wenige waren da. Dienstag noch weniger, jedoch hatte die Kirche noch keinen Schaden erlitten. Doch schon in der Nacht zum Dienstag hörte man aus den Fern- sprechernachrichten des Gefechtsstandes, aus den Gesprä- chen und erst recht am Dienstag selbst, dass die Amerikaner schnell vorankämen. Am Sonntag hatte der Gefechtsstand drei- mal Stellungswechsel gehabt - Katzem - Pesch - Garzweiler. Beim Mittagessen hatte eine Batterie, die an der Wirtschaft nach Königshoven (Möeker) in Stellung lag, gemeldet, dass sie den Platz verlassen hatte und in die Auffangstellung gegangen war, d. h. also Stellungswechsel nach rückwärts. Es dauerte auch gar nicht mehr lange, da haute auch der Gefechtsstand bei uns ab, sehr schnell wurde alles abgebaut, und dann verließen sie uns. Der Hauptmann war schon fort, hat sich gar nicht verabschiedet!, die anderen taten das wohl. Ein Unteroffizier meinte: Herr Pastor, wir kommen wieder; na, abwarten. Die Soldaten waren bestimmt erst ganz kurz hinter unserem Dorf auf Elfgen zu, da kam schon ein mörderischer Beschuss - ca. eine Stunde lang. Granate auf Granate schlugen ins Dorf, sehr viele aber auch gingen über uns weg. Wir drei waren im Keller und fühlten uns da sicher, solange kein Volltreffer gerade auf das Haus kam. Im Garten schlugen mehrere ein. (…) Dann kam eine Feuerpause, während der ich mal aus dem Hause ging, nachzusehen. (…) Bei Flüchten brannte eine Scheune. d. h. es war wohl nur das Stroh, doch war kein Wasser da zum Löschen und auch keine Leute. Auch die Kirche hatte am Turm und an den Fenstern großen Schaden gelitten. Kaum war ich wieder zu Hause, da setzte der zweite Be- schuss ein, noch stärker als vorher. Dauer wieder ca. eine Stunde, dann kamen die amerikanischen Soldaten ins Dorf. Es war zwischen 5 und ½6 Uhr nachmittags am Dienstag, dem 27. 2. 45. Panzer rollten durch das Dorf und machten alle Stra- ßen kaputt. Auch in die Häuser kamen die amerikanischen Sol- daten und suchten nach deutschen Soldaten. Als sie mich als Priester erkannten, war alles in Ordnung. Auf der Landstraße kam es doch noch, wie es schien, zu Gefechten, wenigstens aus der Gegend her hörte man die amerikanischen Gewehre und Maschinengewehre. Die amerikanischen Soldaten kamen von Kaiskorb her durch das Feld. Die Verteidigung des Dorfes war sehr gering. Vorher war stets davon die Rede gewesen, Garzweiler würde ein Stützpunkt. Man kann sich denken, dass die Bevölkerung wenig davon erbaut war; denn dann kam es zum Widerstand, zum Gefecht und das Dorf hätte sehr stark gelitten. Es waren rundherum Schützengräben ausgeworfen, auch Panzergräben, dann Stacheldrahtverhaue, Panzersperren an den Ein- und Ausgängen des Dorfes, Minensperren usw. Am letzten Tag sollte dann noch der Volkssturm (das letzte Aufgebot) in die

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