Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

229 VOR ORT: JÜCHEN NACH 1945 Keiner von ihnen, so wurde nun betont, habe aber in der Partei ein Amt ausgeübt. 281 Leider liegen keine Angaben darüber vor, wann welcher Betrieb seine Produktion wieder aufnahm. Eine Be- standsaufnahme im Jahr 1948/49, also kurz nach der Währungs- reform ergab dann, dass die 25 ortsansässigen Unternehmen im Amtsbezirk immerhin 941 Beschäftigte zählten. Anders als in Jüchen, Hochneukirch und Otzenrath gab es in den übrigen Gemeinden des Untersuchungsgebiets keine nennens- werten Industrieansiedlungen. Bedburdyck, so wurde in der Rubrik „Industrielle Unternehmen“ im Herbst 1945 an die Militärregie- rung berichtet, sei eine Landgemeinde und trage „vorwiegend land- wirtschaftlichen Charakter“. Größere industrielle Unternehmen seien hier daher nicht ansässig. Gleiches galt für Garzweiler, wo zu diesemZeitpunkt als einzige „große Firma“ die Krautfabrik genannt wurde. 283 Für Hochneukirch ist eine Statistik überliefert, die für die Er- hebungszeitpunkte 1939 und 1946 interessante Einblicke in die örtliche Beschäftigungsstruktur eröffnet. Zunächst fällt auf, dass die Summe der in der Tabelle für 1946 aufgeführten „Beschäftigten“ der damaligen Wohnbevölkerung Hochneukirchs entspricht, die Zahlen also nicht nur – wie für das Jahr 1939 - die tatsächlich Erwerbstätigen, sondern zugleich wohl auch die von ihnen versorgten Familienmitglieder abbilden. Da- nach bezogen 1946 nahezu 42 Prozent aller Einwohner ihr Fami- lieneinkommen aus Arbeit in Industrie und Handwerk, während lediglich 13,6 fest in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Aller- dings bleibt als eine Art „Dunkelziffer“ der hohe Anteil jener fast 26 Prozent, die ihren Lebensunterhalt aus „Sonstiges“ bestreiten mussten. Hieran, so wurden die Zahlen fünf Jahre später kom- mentiert, habe man nicht zuletzt die „durch Zerstörungen, Roh- stoffmangel, Flüchtlingszustrom, Wohlfahrtsempfänger, Schwarz- händler usw.“ geprägten Zeitumstände ablesen können. Nach der Währungsreform sei die Zahl der Industriebeschäftigten dann wie- der angestiegen, während die Rubrik „Sonstige“ zunehmend an Bedeutung verlor. Trotz aller partiellen Einschränkungen lässt sich feststellen, dass sich die am Niederrhein eindeutig dominierende Textilindustrie bereits Ende 1946 als recht gut reorganisiert präsentierte. Es man- gelte offenbar keineswegs an Produktionskapazitäten, sondern an Rohstoffen, wie die Grevenbroicher Kreisverwaltung am 17. De- zember 1946 in einem Lagebericht an die Militärregierung (FSS) in Mönchengladbach mit Blick auf den Sektor „Wirtschaft und Arbeit“ beklagte. Die Textilunternehmen im Jüchener Gebiet, so BRANCHE BESCHÄFTIGTE 1939 % 1946 % Industrie und Handwerk 1.400 47,0 2.276 41,8 Landwirtschaft 425 14,3 741 13,6 Handel und Verkehr 546 18,3 640 11,7 Öffentliche Dienstleistungen 279 5,1 Häusliche Dienste 102 1,9 Sonstige 610 20,5 1.413 25,9 Zusammen 2.981 5.451 BESCHÄFTIGUNGSSTRUKTUR IM AMT HOCHNEUKIRCH 1939 UND 1946 284 Blick auf die „Otzenrather Kleiderfabrik“ der Firma G. Bausch, 1950er Jahre Blick auf die Firma I.A. Lindgens Erben in Hochneukirch

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