Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

261 N ach der ausführlichen Bestandsaufnahme der allgemeinen Nachkriegssituation in Jüchen und Umgebung und den daraus resultierenden Herausforderungen und Problemen für die Kommunalverwaltungen ist es nunmehr an der Zeit, sich der lokalen Ausprägung des Kernthemas dieser Untersuchung zu widmen: der Ankunft, Behandlung und – eventuellen – Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen, die in den ersten Nachkriegs- jahren denWeg an den Niederrhein fanden und hier sesshaft wur- den. Es sei auch an dieser Stelle nochmals ausdrücklich darauf hin- gewiesen, dass der Umgang mit den Neuankömmlingen nicht isoliert, sondern stets vor dem Hintergrund der zahlreichen Pro- blemlagen im Nachkriegsdeutschland zu betrachten und zu beur- teilen ist. Nur ein differenzierter Blick kann aufgrund des ihm ei- genen Verzichts auf vorschnelle Schuldzuweisungen – zumindest in Ansätzen – zu gerechten Urteilen führen, die den damaligen Handlungsoptionen gerecht werden. VORBEREITUNGEN Die Verfügung, die der nordrheinische Oberpräsident Lehr am 1. Oktober 1945 an die ihm unterstellten Instanzen verschickte, wirkte wie ein Donnergrollen, dem unweigerlich ein starkes Ge- witter auf dem Fuß folgen würde. Im dem Schreiben wurden die Oberbürgermeister und Landräte über „nicht bestätigte Gerüch- ten“ unterrichtet, nach denen mit einer baldigen „Aufhebung der Grenzsperre“ zwischen der sowjetisch besetzten Zone und den westlichen Besatzungszonen zu rechnen sei. „Bei einer Freigabe der bestehenden Grenzsperre wird sich ein Zustrom von Evakuierten, deren Zahl nicht feststeht, die aber sehr groß sein kann, in die Nordrhein-Provinz nicht vermeiden lassen.“ Daher, so mahnte der Oberpräsident, gelte es Vorsorge zu treffen und vorsorglich sämt- liche Räumlichkeiten zu beschlagnahmen, die als Massenunter- künfte dienen könnten. 383 Flüchtlinge in Jüchen Ankunft in einem Flüchtlingslager in Warburg, um 1950

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