Rüther: Flüchtlinge und Vertriebene in Jüchen

263 VOR ORT: FLÜCHTLINGE IN JÜCHEN Mitte November 1945 konkretisierten sich die Dinge. Am 16. des Monats wurde den Gemeinde- und Amtsverwaltungen aus Grevenbroich mitgeteilt, dass imKreisgebiet in Kürze 5.000 „Ost- flüchtlinge“ aufzunehmen seien, was umgehend „Sofortmaßnah- men“ erfordere. Die genaue Zahl, die jede einzelne Kommune auf- zunehmen habe, gehe dieser „in kürzester Frist zu“. In jedem Fall seien aber bereits jetzt Säle „mit Stroh herzurichten. Öfen sind aufzustellen und Heizmaterial ist bereit zu stellen. Tische und Stühle müssen vorhanden sein. Kochvorrichtungen sind in Ord- nung zu bringen. Waschgelegenheiten sind zu schaffen durch Be- reitstellen von Gefäßen. Ein Raum für Mütter und Kleinkinder ist herzurichten. Die Lebensmittelversorgung (Kartoffeln usw.) ist für ein paar Tage sicherzustellen. Die Essenausgabe erfolgt nur ge- gen Essensmarken. Eine Liste über Aufnahmefähigkeit der Flücht- linge für die einzelnen Familien ist anzulegen.“ 387 Vieles blieb jedoch vage. So teilte der Landrat den „bereits durch Presse undRundfunk“ informiertenKommunalverwaltungen am19. November 1945 erneut mit, dass die englisch besetzte Zone die Auf- gabe habe, „in nächster Zeit eine bis heute noch nicht feststehende Zahl Evakuierter aus der russisch besetzten Zone aufzunehmen“. Hierzu seien Massen- und Notquartiere einzurichten. „Die Unter- bringung dieser bemitleidenswertenMenschen ist unsere Pflicht.“Da- her sei in jeder Gemeinde „sofort ein Ausschuss zur Behebung der Flüchtlingsnot unter Einbeziehung vonVertreternder politischenPar- teien, der karitativen Vereinigung und Orden zu bilden“. Außerdem sollte mit Hilfe des Roten Kreuzes und der Lehrerschaft „eine Orga- nisation zur Betreuung der Ostflüchtlinge“ aufgebaut werden. Auch das war wenig konkret, denn über die genauen Aufgaben und Kom- petenzen dieser Gremien wurde nichts Näheres mitgeteilt. Zugleich fällt die weitgehende Übereinstimmung dieser Anordnung mit der Forderung auf, die der Korschenbroicher Amtsbürgermeister Lesaar kurz zuvor demLandrat gegenüber zumAusdruck gebracht hatte. Immerhin schien nunmehr klar zu sein, dass die Verteilung der Flüchtlinge vonDüsseldorf aus „in vier Säulen“ über das Kreisgebiet erfolgen und die dritte dieser „Säulen“ Grevenbroich als Ziel haben würde. An den Zielorten wurden auf den Bürgermeisterämtern angesiedelte „Verteilungsstelle“ sowie ein kleines Lager eingerich- tet 388 , von dem aus die Flüchtlinge dann auf die Endgemeinden aufgeteilt wurden. ImFall der dritten, nach Grevenbroich gelenkten „Säule“ waren das Hochneukirch, Jüchen, Garzweiler, Bedburdyck, Gustdorf, Frimmersdorf und Rommerskirchen. Für die jeweiligen Amtsbezirke und Gemeinden wurden zugleich Kontingente fest- gelegt, die für die Ziele der dritten „Säule“ jedoch nicht überliefert sind. 389 Eines wurde aber mehr als deutlich: Der Verwaltungsauf- wand, der mit der Flüchtlingswelle auf jede einzelne Gemeinde zukam, würde erheblich sein: „Bei Ankunft in der Aufnahmege- meinde sind sofort 4 Karteikarten auszufüllen. Davon bleibt 1 bei der Gemeinde, die 2. ist an den Regierungspräsidenten, Abt. Flücht- lingsdezernat, zu senden, die 3. an die Hauptstelle des Roten Kreu- zes, die 4. an das Zentralflüchtlingsbüro in Grevenbroich.“ 390 Schreiben des Landrats an die Bürgermeister im Kreisge- biet, 19. November 1945

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